Endlich mal jemand der mitdenkt, statt in den "Hurra, endlich wird was gegen Kinderpornografie unternommen" Chor einzustimmen.
Kinderpornografie ist in der Tat nur ein Vorwand. Da kinderpornografische Angebote in ausnahmslos allen Ländern der Erde illegal sind, ist es ein leichtes, die zuständigen Behörden zu informieren und solche Webseiten schließen zu lassen. Genau das wird auch bereits getan, und das ist natürlich auch gut so. Nur ist es von daher auch völlig unnötig, irgendwelche Seiten von deutschen Internetprovidern sperren zu lassen, da sie ja sowieso weltweit illegal sind und umgehend entfernt werden, sobald sie irgendwo auffällig werden.
Das Ziel ist hier ganz klar eine generelle staatliche Kontrolle des Internetangebotes. Daran wird bereits seit den 90er Jahren gearbeitet. Vor kurzem wurde still und leise ein neues Gesetz verabschiedet, der so genannte Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV). Darin wird das Internet kurzerhand zu einem weiteren "Rundfunk- und Telemedium" erklärt und alle "entwicklungsbeeinträchtigenden Angebote" werden kurzerhand verboten.
Das muss man erst einmal sacken lassen; die deutschen Gesetzgeber wollen ALLE jugendgefährdenden Angebote aus dem Internet entfernen. Zu diesen Angeboten gehören unliebsame politische Meinungen ebenso wie Gewaltdarstellungen und Pornografie jedweder Art. Zitat JMStV §4 Absatz 2: "Angebote sind ferner unzulässig, wenn sie in sonstiger Weise pornografisch sind". Aber nicht nur Pornografie in Form von Fotos und Videos ist demnach verboten; das Gesetz schließt ausdrücklich auch virtuelle Darstellungen mit ein, also Zeichnungen (Mangas, Anime, Hentai) sowie 3D-Artwork und andere künstlerische Arbeiten. Soviel zur bislang grundgesetzlich geschützten Kunstfreiheit in Deutschland.
Zunächst mutet es natürlich grotesk an, mündige Internetnutzer zu zwölfjährigen Jugendlichen zu degradieren. Auch wenn dies im Bereich Rundfunk und Fernsehen längst geschehen ist, auch hier vorgeblich zum Schutze der lieben Kleinen. Doch der deutsche Wahnsinn hat durchaus Methode. Internationale Internet-Dienstleister wie Google / YouTube und Yahoo / Flickr arbeiten seit Jahren eng mit den Behörden diverser zensurfreudiger Staaten zusammen (allen voran Deutschland, Frankreich und China), um ihre Angebote landesspezifisch zu beschränken.
So können Deutsche nicht länger die unzensierte Suchmaschine Google.com verwenden, sondern werden automatisch auf Google.de weitergeleitet, wo die Suchergebnisse stark gefiltert werden. Und zwar unabhängig von den Filtereinstellungen des Benutzers. Aber es sind ja nur rechtsextremistische Seiten. Und religiöser Extremismus. Und natürlich Kinderpornografie und unzüchtige Sachen mit Tieren, igitt. All dies kranke Zeug will ja eh niemand sehen, von daher sind wir ja alle schwer dafür.
Und schwups, schon sind alle Erotikangebote und gewalttätige Browserspiele auf der Liste der zu verbrennenden Bü... ehm... Webseiten gerutscht. Und linksextreme / anarchistische Inhalte, und natürlich alles, was geeignet sein könnte, "den öffentlichen Frieden zu stören". Sowie natürlich alles, was "offensichtlich geeignet ist, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen [...] zu gefährden". Das braucht der deutsche Gesetzgeber im Einzelnen gar nicht mehr auszuführen :) Das wird ganz einfach von runzligen deutschen Kleingeistern individuell von Fall zu Fall entschieden, ganz nach Gutdünken.
Yahoo zensiert ebenso wie Google, auf... nennen wir es auf Anraten der deutschen Behörden hin. Auf Yahoo's Fotoportal "Flickr" werden Deutschen seit 2007 keine Bilder mehr zugänglich gemacht, die als "nicht jugendfrei" eingestuft sind. Selbst wenn der Nutzer erwiesenermaßen über 18 ist.
Ähnlich sieht es auf YouTube aus, seit das erfolgreiche Videoportal von Google übernommen wurde. Alles, was ein Hakenkreuz oder Hitlerbärtchen enthält, wird für Nutzer mit deutscher IP-Adresse gesperrt. Auch wenn es sich offensichtlich um Satire handelt. Selbst Szenen aus Komödien, die hierzulande völlig legal sind (z.B. Mel Brooks' Parodie "Frühling für Hitler") werden Deutschen sicherheitshalber vorenthalten. Seit neuestem auch Musikvideos, da Google/YouTube Probleme mit der deutschen GEMA vermeiden möchte.
Neuere Internetdienste, wie das das Radioportal Pandora.com oder der Videoportal-Betreiber und YouTube-Konkurrent Hulu.com, beschränken ihre Dienste kurzerhand auf die USA. Der deutsche Surfer sieht nur ein "not available in your country". Soviel hat der deutsche Gesetzgeber inzwischen erreicht.
Dies ist bereits ein kleiner Vorgeschmack auf die Zukunft, auf ein lokal beschränktes, landesweites Internet, komplett von der Außenwelt abgeschottet. Viel Zwang ist hier gar nicht erforderlich; es muss nur die Rechtslage ausreichend verkompliziert werden, und schon traut sich kein ausländischer ISP mehr, den deutschen Onlinemarkt zu bedienen.
Für alle ISP's, die sich nicht entweder abschrecken oder zur Zensur zwingen lassen, kommt dann die Sperrung seitens der Internetprovider zum Tragen. Bislang sind diese Sperren noch leicht zu umgehen, da hast du Recht. Aber das wird nicht ewig so bleiben. Die gesetzlichen Daumenschrauben werden schrittweise angezogen, jedes Jahr ein wenig mehr, bis vom weitgehend rechtsfreien Wildwest-Internet der 90er Jahre nichts mehr übrig ist. Nicht nur in Deutschland, sondern in nahezu allen westeuropäischen Ländern.
Uneingeschränkte Informations- und Kommunikationsfreiheit ist eine wichtige Grundlage jeder funktionierenden Demokratie. Es sollte schon zu denken geben, dass es diese Freiheit in Deutschland nie uneingeschränkt gegeben hat. Es darf nicht sein, dass uns mündigen Bürgern die geringe Freiheit, die wir in den Anfangszeiten globaler Informationsnetze gewonnen haben, nun wieder genommen wird.